Eine Bootsfahrt, die ist lustig….

Mein Schwiegervater, der Oberst im Ruhestand, ist im Aufruhr.

Er bekommt hochrangigen Besuch im Dorf, wo er übersommert. Ehemalige Führungspersonen der Streitkräfte eines Bruderstaates im jugendlichen Alter von 75 und 82 sollen ihn im Rahmen eines offiziellen Veteranenaustausches besuchen und mit ihm eine Bootsfahrt unternehmen.

Kanutour auf dem Flüsschen Narachanka
Kanutour auf dem Flüsschen Narachanka

Der schwiegerväterliche Garagennachbar war im Orgaisationskommitee dieses Besuches, und da der Schwiegervater eines der erfolgreichsten Startsups in Belarus in diesem Jahr gegründet hat, war es irgendwie Ehrensache, dass der informelle Teil des Programms im beschaulichen Slabada am Ende der Welt stattfinden soll.

Spät in seinem Lebens und irgendwie in der vierten Karriere neben Geograf und Mammutgriller, Sowjetoberst, oberster Wetterhahncaster und Agrarstudentenkarrierenbeschleuniger hat Sascha nun seine Berufung gefunden und macht damit sich, die Familie, und viele Touristen glücklich.

In Slabada und um Slabada herum veranstaltet er Kanutouren für Einzelpersonen und Gruppen. Er macht das anscheinend richtig gut, und er ist für diesen Sommer schon fast ausgebucht. Sehr beliebt ist er anscheinend als Organisator für Firmenausflüge. Er hat schon Zeitungsredaktionen, Staatsbehörden und bekannte Firmen über die Flüsse Narach und Uslianka geschippert.

Malerisch!
Malerisch!

Das gefällt ihm richtig gut, denn er ist der unbestrittene Chef der Kanukolonne. Alles hört auf sein Kommando, wer ungehorsam ist, macht eben einen Überschlag im kalten Wasser. Er geht dabei sehr professionell vor, es gibt eine Vorbereitungsliste vor der Anreise (man soll sich nicht wagen, ohne Geschirr für das Picknick anzureisen oder ohne lange Kleidung! Wer die Slabadaer Bremsen kennt, weißt, dass das unerlässlich ist), eine Instruktion bevor man an Bord geht, und viele Anordnungen, sobald man auf dem Wasser ist.

Die Touristen haben damit einen Heidenspaß, die Tour wird individuell auf ihre Bedürfnisse angepasst. Es gibt die Erholungstour, die Abenteuertour, und sogar Touren mit Übernachtung. Für Verpflegung ist gesorgt, für das Liedersingen am Lagerfeuer ebenfalls. Was Sascha macht, das macht er richtig. Das Einzige, was vielleicht noch richtiger gewesen wäre, wäre gewesen, die Ich-AG schon ein paar Jahre eher zu gründen. Die Einnahmen, und das trotz günstiger Preise, sind mit dem kargen Monatsgehalt an einer staatlichen Einrichtung nicht zu vergleichen. Selbständig sein macht glücklich, an der frischen Luft arbeiten gesund, und so ist Sascha glücklich und in Form wie nie.

Ja, auch ich durfte mal!
Ja, auch ich durfte mal!

Auch mit der Delegation, die zu ihm kommt, macht er alles hundertprozentig richtig. Die Herrschaften wollten erleben, wie es auf einem belarussischen Dorf zugeht. Also musste Tamara lernen, wie man Machanka, ein traditionelles belarussisches Essen kocht (das hatte sie bisher noch nicht in ihrem Repertoire), es wurde ein folkloristisches Gesangsduo aus der Kreisstadt gemietet, und er hat sich ein neues Nationalkostüm zugelegt. Außerdem wurde das Grundstück verschönert, die Banjatür neu gezimmert und die Exponate aus dem hauseigenen Lebensartmuseum aufpoliert.

Wir warten gespannt auf einen Bericht, wie der Abend verlaufen ist. Ich erwarte nichts anderes, als dass es perfekt war. Morgen fahren wir wieder aufs Dorf, bis dahin hat er sich hoffentlich wieder entspannt.

Übrigens, falls jemand mit Sascha eine Kanutour machen möchte, findet er Informationen an seinen Aushängen in allen Sanatorien in Belarus oder unter der Seite narachanka.info, die noch im Aufbau ist.Oder ihr fragt mich 😉

5 Kommentare

  1. heute habe ich dir meinen Kommentar gemailt zu Belarus aus meiner Sicht im Zusammenhang mit doch relativ einseitiger Hilfe aus dem Ausland.
    Deinen Beitrag zur Bootsfahrt kann ich dahingehend ergänzen, dass ich unendlich viele solcher Erlebnisse hatte , Sommer wie Winter. Tolle Datschafeste, mit edlen Gesängen ,Unmengen Vodka, einmalig gutem Essen, Sauanagängen, Gelsen en masse und immer wieder die sprichwörtliche Gastfreundschaft meiner belarussischen Freunde,und dann das Obligate: vergesst uns nicht und kommt wieder… Ich bin immer wieder gekommen und das schon 53 Mal.
    Unbeschreibliche Szenen im Sperrgebiet Bragin, Nähe Tschernobyl wo wir den alten Dorfbewohnern Lastwagenweise Lebensmittel und “ auch etwas fürs Herz“ übergeben haben, sowie Kühe und Viecher zur besseren Selbstversorgung. Ein Dankeschön der alten Leute waren Einladungen in ihre Hütten, Pilze und Rahm, massenhaft Knoblauch und immer wieder Vodka wegen der „Desinfektion“, wie gesagt ,hochverstrahltes Sperrgebiet.
    Da hält sich der humanitäre Tourismus sowieso in Grenzen. Zum Abschied gab es Knoblauch ,jede Menge und am Flughafen Minsk (damals wurde noch streng kontrolliert)haben die Zöllner gestaunt und gelacht..
    Nadine , ich schreibe an einem Buch über 20 Jahre Belarus über Erfahrungen – auch negativ besetzte- immer aber den Menschen im Mittelpunkt, nie aus den Auge verlieren, nie wertend oder gar belehrend,mit Respekt vor den Menschen, die es verdient haben erwähnt zu werden. Es wird ein schönes Buch
    liebe Grüße
    Doris

      1. Liebe Nadine,
        Antwort zur Antwort :Ich schreibe seit einiger Zeit mit Abständen am Abenteuer Belarus, durchforste mein Archiv,
        habe fast alle 53 Reisen mit Text und über 15.000 Fotos dokumentiert. Das dauert natürlich.
        In mehr als 20 Jahren hat sich doch allerhand angesammelt.
        Deinen Blog habe ich erst kürzlich gefunden, habe fast alles nachgelesen und vermute, dass dich der belarussische Alltag eingeholt hat. Mit 2 Kindern ist die Toleranzgrenze bezgl. weißr.Gegebenheiten sehr schnell erreicht,
        Minsk hat eventuell mehr zu bieten als Gomel usw.
        Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser ,Polikliniken sind mir in trauriger Erinnerung.
        Ich habe u.a. im Frauengefängnis Gomel , mit großem finanziellen Aufwand die Geburten- und Kinderkrankenstation saniert und mit med. Gerät ausgestattet. Das war eine meiner größten Herausforderungen..
        Im Norden von Belarus Gebiet Postave – Kamai habe ich einen alten Pfarrhof, riesengroß, mit Hilfe des Landes Vorarlberg generalsaniert und umgebaut in ein Erholungsheim.
        Die Lage ist traumhaft, hügelige Landschaft,, eingebettet in blitzsaubere Seen – Erholung pur für eure Kinder.
        Von wegen..Die wollen nach wie vor lieber nach Österreich, Italien, Spanien, USA u. Japan. Klar, in Kamai gibt es keine Geschenkspakete , keine Addidas-Schuhe, keine Knete.
        Gutes Essen, das die Kinder kennen, Natur pur und das unbezahlbare Erlebnis: das ist meine Heimat. War eher nix.
        Mussten wir zur Kenntnis nehmen. Inzwischen finden in Kamai Seminare statt.
        Bei mir hat über einen längeren Zeitraum ein junger Mann aus Gomel gewohnt ,vier Monate und im Jahr darauf nochmals.
        Zurück in seiner belarussischen Heimat war die Katastrophe schon vorprogrammiert..
        Das betrifft übrigens auch i die sog. Erholungsaufenthalte weltweit..
        Aus meiner Sicht sind sie genauso überflüssig wie „Hilfslieferungen“ von Klamotten – ein Thema ohne Ende.
        Ich kenne Lager ,randvoll mit überflüssigen Dingen, die kein Mensch will und braucht
        Vor vielen, vielen Jahren habe ich schon aufgehört mit Transporten.
        Familien, die ich kenne und betreue ,bekommen gezielte Geldspenden, wir kaufen gemeinsam ein.
        Second Hand Shops schießen wie Pilze aus dem Boden, ich kenne Straßenmärkte groß wie ein Fußballfeld. Da kaufen sogar meine italienischen Freunde ein, wenn wir uns zu Koordinationsgesprächen in Belarus treffen.
        Aber die ganz hartnäckigen Gutmenschen lassen sich nicht abschrecken und schicken was das Zeug hält. Wer Lagermieten zu zahlen hat, LKW `s zum Weitertransport anmieten muss , plus Diesel, das und vieles mehr ist den „Spendern “ eher wurscht.
        Vielleicht macht die millionenfache Flüchtlingsdramatik dem Spuk ein Ende.
        Schreib mal wieder etwas, du lässt ein bisschen nach…….
        liebe Grüße
        Doris

  2. Hallo Nadine,
    ich finde deinen Blog klasse! Ich habe den entdeckt, als ich vor unserer Reise nach Belarus nach Informationen gesucht habe. Deine Posts haben mir einen netten Einblick gegeben. Danke dafür! 🙂
    Michelle

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